Nein – nicht was du denkst...
Irgendwann musst Du nach - CHAMONIX
Irgendwann musst Du diese unglaubliche Stimmung spüren, die
über dieser Stadt liegt. Diese Faszination, wenn Du den gigantischen weißen
Riesen siehst. Das Gefühl, einer von knapp 6000 Verrückten zu sein, die einen
der 4 Läufe in Angriff nehmen. Das Kribbeln am Start. Die Hochs und Tiefs
während der ca. 40 Stunden auf Deinem Weg rund um den Mont Blanc. Die
begeisterten, freundlichen Menschen überall an der Strecke. Die unzähligen
‚Bravo‘, ‚bon courage‘ und ‚bonne chance‘ Rufe. Der unglaublich emotionale
Zieleinlauf wenn du es geschafft hast. Die jubelnden Menschen, die laute Musik,
Familie und Freunde die auf Dich warten. Die Freude, die Weste überzustreifen,
auch wenn die Farbe noch so hässlich ist. Wildfremde Menschen, die Dir mitten
auf der Straße gratulieren. Das Gefühl abends im Bett zu liegen, mit
schmerzenden Muskeln und dem Bewusstsein, etwas ganz besonderes in Deinem Leben
geschafft zu haben.
Ja, irgendwann musst Du nach Chamonix.
Mein Erlebnis Chamonix begann am Donnerstag vor dem Lauf.
Nachdem ich mich am Vortag um 21:00 klammheimlich von der Feier zum 70.
Geburtstag meiner Mutter verdrückt hatte, brachen Antje und ich um 10:00 auf.
Bei grandiosem Wetter kamen wir gegen 17:00 in Chamonix an und bezogen unser
Hotel. Besser als mit dem Hotel Clocher hätten wir es kaum treffen können. OK,
kein Luxushotel, das Zimmer war unterm Dach, 2 steile Treppen hinauf und die
Türen nur etwa 1,70m hoch. Aber das Hotel ist wirklich schnuckelig, mit
familiärer Atmosphäre und zu einem vernünftigen Preis. Und – es liegt etwa 250
m von Start/Ziel entfernt.
Da wir noch aus dem letzten Jahr wussten wie viel bei der
Registrierung los war, machten wir uns gleich auf den Weg und wurden positiv
überrascht. Keine Schlange, ruck zuck wurde ich durch das bestens organisierte
Prozedere geschleust. Für jeden Handgriff ist ein anderer Posten zuständig, so
dass der Ablauf sehr schnell funktioniert. Ausweis und 20 Euro –
Pfichtausrüstungskontrolle – Chipausgabe und Rucksackkennzeichnung –
Chipbefestigung – Startnummer – DropBag und Müllbeutel – T-Shirt – und raus.
Somit hatten wir genug Zeit, uns auf der Messe umzuschauen.
Ein paar leichtere Stöcke standen auf meiner Einkaufsliste ganz oben. Wie
geplant wurde ich bei Komperdell fündig. Desweiteren kauften wir ein natürlich
einen Buff und ein paar Andenkenshirts. Mit dem Bewusstsein, dass ich die alle
würde verbrennen müssen, sollte ich Sonntag nicht ins Ziel kommen. Doch nur wer
wagt gewinnt. Nachdem alle Dinge erledigt waren begaben wir uns zum Runnersworld-Ultra-Forums-Treff.
Unterwegs sammelten wir noch Tom Siener ein, der mit uns schon den
Rheinburgenweglauf bestritten hatte. In der Pizzeria war schon jede Menge los.
Das Kobolt Organisationstrio Micheal, Andreas und Stefan, KUT-Macher Eric, HaPe
Gieraths u.v.a waren schon da. HaPe hatte dieses Jahr so ziemlich das gleiche
Vorbereitungsprogramm wie ich. Von RBW-Lauf über KUT, Zugspitzultratrail und
Chiemgauer 100 war er bei fast all meinen Vorbereitungsläufen dabei.
Eric sorgte bei mir gleich für ein erstes Stimmungstief,
nachdem er mich über die letzten Wettervorhersagen in Kenntnis setzte. Start im
Regen, Schnee ab 1800 m, Dauerregen die erste Nacht. Na klasse. Eigentlich
unglaublich bei dem Wetter, das noch herrschte. Erinnerungen ans Vorjahr wurden
wach. Nach einer Pizza und 2 Bier für je €7.70 machten wir uns auf den Weg ins
Hotel. Ich musste mich ja noch um meinen zwickenden Oberschenkel kümmern, der
mir immer noch große Sorge bereitete. Außerdem musste ich ja anfangen, aufgrund
der Wettervorhersage meine Sachen neu hin- und her zupacken. Eine Tätigkeit, die
ich am nächsten Tag noch etwa 5 mal wiederholen sollte.
Am nächsten Morgen herrschte weiterhin ein Traumwetter. Zunächst
begaben wir uns zum Frühstück in den Keller des Hotels. In Mitten eines
kleinen, gemütlichen Raumes stand die
Wirtin an einer Kaffeemaschine, verteilte Kaffee und plauderte mit allen Anwesenden
quer über alle Tische. Urgemütlich, vor allem, wenn man französisch verstünde.
Nach dem Frühstück gingen wir ein bisschen Atmosphäre schnuppern und schauten uns die TDS-Ankömmlinge an. Sehr bewegend. Vor allem werde ich in Zukunft immer, wenn ich ‚Fluch der Karibik‘ sehe, an diesen Einlauf denken müssen.
Nach dem Frühstück gingen wir ein bisschen Atmosphäre schnuppern und schauten uns die TDS-Ankömmlinge an. Sehr bewegend. Vor allem werde ich in Zukunft immer, wenn ich ‚Fluch der Karibik‘ sehe, an diesen Einlauf denken müssen.
Zu diesem Zeitpunkt verbreitete sich schon hartnäckig das
Gerücht, der Start des UTMB würde verschoben werden. Beim Blick nach oben
weiterhin kaum denkbar. Als wir zurück zum Hotel gingen, trafen wir 2 Franzosen,
die bereits eine entsprechende SMS vom Veranstalter bekommen hatten. Rennen
verschoben, Lauf auf 157 km und 8500 hm verkürzt, Tete aux Vents nicht
zugänglich. Mist. Nicht die volle Distanz? Da müsste ich ja nächstes Jahr wieder
kommen. Wir machten uns auf den Weg zur Info, um zu erfahren, was denn los sei
und vor allem, warum ich keine SMS bekommen hatte. Dort konnte man uns die
Änderung bestätigen, warum ich (und die vielen anderen die da rumstanden) keine
SMS bekommen hatte, wusste man auch nicht. Muss an unseren Providern liegen.
Haha, immer die anderen. Aber um 11:51 bekam ich ja dann auch offiziell
Bescheid. Jetzt hieß es den Tag neu planen. Start nicht um 18:30 sondern um
23:30, da konnte man sich nochmal richtig hinlegen und schlafen. Danach noch
ein Abendessen. Eigentlich gar nicht schlecht, wenn die angekündigte
Schlechtwetterfront nicht gewesen wäre.
Wir beehrten nochmal die Pizzeria,
dieses Mal ohne Bier, danach legte ich mich ein paar Stunden auf’s Ohr. Zwischendurch
ging ich wieder ein bisschen zum TDS Finish. Dort traf ich auf Klaus, der nach
knapp 31 Stunden glücklich im Ziel einlief und Walter, der nach seiner sehr
unglücklichen Vorbereitung leider schon nach ein paar Stunden abbrechen musste.
Pünktlich um 17:00 begann der Himmel sich zu verdunkeln,
kurz danach setzte der angekündigte Regen ein. Zunächst nur ein bisschen dann
immer heftiger. Kalt wurde es noch dazu. Ich schlief noch bis 20:00, dann
Abendessen und weiteres umpacken. Gegen 22:00 brachte ich meinen DropBag ins
Centre Sportif und stellte fest, dass es saukalt geworden war. Daher beschloss
ich, in voller Montur loszulaufen, sprich ¾ Tights, Regenhose, Skins langarm,
Regenjacke, Handschuhe, Mütze. Dazu die Salomon Gore Tex Schuhe.
Am vereinbarten Treffpunkt waren nur Michael, sowie die
zuschauenden Sanne, Alex und Georg zu finden. Von den anderen hatte wohl keiner
Lust früher als nötig vor die Tür zu gehen.
Wir stellten uns hinten an und betrachteten uns das Treiben noch ein bisschen, bevor ich mich verabschiedete, um mich ins Getümmel zu stürzen und die Atmosphäre aufzusaugen. Ich wurde so langsam mächtig nervös, mein Oberschenkel zwickte noch immer und ich war mir nicht sicher wie lange er halten würde. Dann wurde es langsam ernst. Die Vangelis-Musik wurde immer lauter, die Anspannung immer grösser und endlich ging es los. Loslaufen, stocken, stehen bleiben, dann wieder loslaufen, gehen, stehen, dann war endlich ein langsames Laufen möglich. Dabei Ohren betäubender Jubel der Zuschauer, die im strömenden Regen ausharrten. Unglaublich, nachdem ich mich Monatelang mental auf diesen Moment vorbereitet hatte, war es nun tatsächlich soweit. Ich rannte erst mal durch die Menge, wie in einem Film. Oder besser, wie in einem Youtube-Video.
Wir stellten uns hinten an und betrachteten uns das Treiben noch ein bisschen, bevor ich mich verabschiedete, um mich ins Getümmel zu stürzen und die Atmosphäre aufzusaugen. Ich wurde so langsam mächtig nervös, mein Oberschenkel zwickte noch immer und ich war mir nicht sicher wie lange er halten würde. Dann wurde es langsam ernst. Die Vangelis-Musik wurde immer lauter, die Anspannung immer grösser und endlich ging es los. Loslaufen, stocken, stehen bleiben, dann wieder loslaufen, gehen, stehen, dann war endlich ein langsames Laufen möglich. Dabei Ohren betäubender Jubel der Zuschauer, die im strömenden Regen ausharrten. Unglaublich, nachdem ich mich Monatelang mental auf diesen Moment vorbereitet hatte, war es nun tatsächlich soweit. Ich rannte erst mal durch die Menge, wie in einem Film. Oder besser, wie in einem Youtube-Video.
Die ersten flachen 8 km ähnelten einem typischen Marathon.
Diejenigen, die ihrer Meinung nach zu weit hinten gestartet waren, versuchten,
durch kurze Sprints Boden gut zu machen. Für mich aufgrund der Tatsache, dass
wir alle um die 40 Stunden Lauf vor uns hatten etwas verwunderlich. Ich
konzentrierte mich darauf, nicht zu stürzen und hörte immer wieder in meine
Muskeln hinein. Leichtes Ziehen hinten links, aber sonst alles O.K.
Der erste Anstieg über Delevret zog sich noch recht angenehm
über breite Wege hinauf, auf denen sich die Menge noch einigermaßen verteilte.
Ich war zum dem Zeitpunkt mehr mit meiner Kleidung beschäftigt. Die Kapuze war
mir zu warm, aber ohne Kapuze lief mir der Regen in den Nacken. Die Handschuhe wurden
nass, dadurch die Hände ziemlich kalt. Stand da nicht was von wasserdichten Handschuhen
in der Pflichtausrüstung?
Nach dem ersten Gipfel ging es steil bergab nach St. Gervais
zum ersten großen Verpflegungs- und Cut-off Punkt. Hier herrschte, trotz der
späten Stunde und des immer noch anhaltenden Regens, Volksfeststimmung.
Ab St. Gervais führte der Weg nun stetig bergauf, zunächst nicht so steil über Les Contamines, dann, immer steiler werdend, über La Balme hinauf zum Col du Bonhomme auf 2443 m. Der Regen ließ so langsam nach, kalt war es immer noch. Kurz nach Sonnenaufgang erreichte ich, nach einem harten letzten Anstieg, den ersten hohen Gipfel. Trotz des kalten Windes ein Moment zum innehalten. Zum ersten Mal ließ sich der Himmel blicken und man konnte die Dimensionen dieses Bergmassivs erahnen. Von meinen Oberschenkelproblemen war inzwischen nichts mehr zu spüren. Wie geplant hatten sie sich nach 4-5 Stunden verflüchtigt. Dafür fing jetzt der Spann meines rechten Fußes an, mir Sorgen zu machen. Durch den ständigen Druck der Lasche beim Bergablaufen fing dieser immer mehr an zu Schmerzen. Ich fing an, beim Bergablaufen den Schuh zu öffnen, um den Druck zu nehmen. Eine Maßnahme, die der Laufstabilität nicht gerade zuträglich ist.
Nach dem knapp einstündigen Abstieg gelangte ich an den
Verpflegungspunkt Chapieux bei km 50. Hier ließ ich mir etwas Zeit, füllte den
Peroninspeicher in meiner Flasche nach und aß eine Kleinigkeit. Am Ausgang der
Verpflegungsstation wurde nochmal stichprobenartig die Pflichtausrüstung
kontrolliert. Von jedem Teilnehmer ein Teil. Von mir das Handy.
Danach folgte der Aufstieg zum Col de la Seigne. Zunächst wieder mäßig steil, auch mal über Asphaltwege, dann immer steiler und immer trailiger. Mit jedem Höhenmeter wurde es kälter und schwieriger. Ich musste meinem etwas hohen Anfangstempo an diesem Anstieg Tribut zollen und öfters mal stehen bleiben, um durchzuatmen. Auf den letzten 100 hm kam noch ein ordentlicher Schneesturm hinzu. Wie froh war ich, meine Pflichtausrüstung dabeizuhaben. Besonders die Kapuze an der Jacke, über die ich so gemeckert hatte, habe ich lieben gelernt. Auf dem Gipfel war es extrem windig und der Schneesturm umso heftiger, so dass leider keine Zeit blieb, den Ausblick zu genießen. Schnell machte ich mich an den Abstieg hinunter nach Lac Combal. Am dortigen Verpflegungspunkt traf ich Christoph aus Wien, mit dem ich schon beim ZugspitzUltraTrail vom letzten Gipfel abgelaufen war.
Und hier „gewann“ ich eine Stunde! Ich war mit Antjes Uhr
gelaufen, weil ich meine nicht gefunden hatte. Ich hatte aber die Stoppuhr
nicht eingeschaltet und auch mehrere Stunden nicht auf die Uhr geschaut. Als
ich in der Nacht das erste Mal nachschaute, war ich doch recht enttäuscht dass
ich so langsam war. Nun sagte Christoph, wir wären doch gut in der Zeit, 3
Stunden vom Cut-Off entfernt. Ich sagte, es wären doch nur zwei und fand
heraus, dass meine Uhr um eine Stunde falsch ging. Prima eine Stunde in einer
Minute gewonnen. Gut, dass es nicht umgekehrt war. Als ich mich auf der Bank
umdrehte, saß auf einmal auch Benno Hellwig dort, der mit uns beim
Rheinburgenweglauf gelaufen ist. Wie klein die Welt doch ist.
Den nächsten Anstieg nahm ich etwas ruhiger in Angriff. Ich ließ mich nicht mehr von anderen irritieren und marschierte in meinem Tempo kontinuierlich nach oben. Auf dem Mont Favre angekommen schaute ich mich um und sah, dass ich etwa 10 Läufer hinter mir hatte. Mein ruhiges Tempo war anscheinend gar nicht so schlecht. Es folgte ein langer, rasanter Abstieg nach Courmayeur über den Col Checrouit. Die Aussicht auf den DropBag, trockene Kleidung, einen Schuhwechsel und nicht zuletzt darauf, dass Antje dort warten wollte, verlieh mir Flügel. Gerne hätte ich mir in Checrouit eine Portion Nudeln gegönnt. Doch meine Nachfrage, ob es sich um Eiernudeln handele, erntete großes Staunen. Alle Nudeln seien schließlich mit Ei. Das ginge gar nicht anders. Ich ersparte mir eine Diskussion über Lebensmittelkunde in meinem mangelhaften Französisch und genehmigte mir stattdessen ein Brot mit Käse und Salami. Und weiter ging’s.
In Courmayeur endlich der erste große Schnittpunkt. Sozusagen Halbzeit, 78 km und 4400 h hatte ich hinter mir, 14.5 Stunden war ich jetzt unterwegs. Der rechte Spann schmerzte und ich freute mich auf die leichteren, weicheren Salomon.
Im Supportbereich wartete schon Antje, sichtlich
erleichtert, mich gesund und munter zu sehen. Der DropBag wurde mir direkt
angereicht, anscheinend werden direkt die Startnummern gefunkt, sobald ein
Läufer aus dem Wald kommt. In den eigentlichen Verpflegungsbereich durften
Begleiter leider nicht mit hinein. Ich ging also allein hinauf und machte mich
über meinen DropBag her. Ich musste mich schwer konzentrieren, alles zu
erledigen, was ich mir vorgenommen hatte. Batterien wechseln, Schuhe wechseln,
Verpflegung nachfüllen, trockene Kleidung anziehen, Apfelmuss und Stuten essen,…
Hier erreichte mich auch per SMS die Meldung, dass die
Strecke wieder geändert wurde, jetzt auf 170 km und 9700 hm, Bovine nicht
zugänglich, statt dessen von Champex runter ganz nach Martigny und über Trient
wieder auf die Strecke. Was uns einen geschätzten 1000 h Anstieg bescherte, wie
ich mir von HaPe erklären ließ, den ich hier traf. Auch Christoph saß auf
einmal wieder an meinem Tisch und war ‚begeistert‘ über die Neuigkeiten. Nach
etwa 40 min machte ich mich wieder auf den Weg, sprach draußen noch kurz mit
Antje und brachte sie auf den neuesten Stand. Inzwischen war bestes Wetter, man
könnte fast sagen, zu gut denn die Sonne knallte gleich heftig.
Direkt hinter Courmayeur folgte ein heftiger Anstieg durch
den Wald zum Refuge Bertone. 789 hm auf 4,7 km. Ich blieb bei meiner Taktik des
langsamen, kontrollierten Anstieges. Die 12 km quer rüber nach Arnuva sahen auf
dem Papier doch wesentlich leichter aus. Das ständige hoch und runter war doch
recht zermürbend und ermüdend, so dass ich für die Strecke tatsächlich, inklusive
Pause in refuge Bonatti, 3 Stunden benötigte. Um 19:00 machte ich ich in Arnuva
auf den Weg zum letzten grossen Anstieg des Tages auf den Col Ferret. Weitere
768 hm auf 4,3 km. Ein extrem, schwieriger, immer steiler werdender, nicht
enden wollender Anstieg. Darüberhinaus
wurde am Gipfel das Wetter wieder schlechter, Nebel zog auf. Als ich nach
knappm 2 Stunden endlich oben war, brach die Dunkelheit ein, der Nebel wurde
immer dichter. Es folgte ein Abstieg im dichten Nebel. Ich war sehr froh mich
an eine Gruppe von 3 Läufern anhängen zu können, so dass ich nicht alleine den
Trail und die Streckenmarkierungen suchen musste. Diese waren aber aufgrund der
Reflektoren noch recht gut zu sehen. Der Abstieg wollte und wollte nicht enden.
Nach etwa 2 Stunden, so etwa gegen 22:00 wurde ich etwas dusselig im Kopf und
setzte ich kurzerhand für 5 Minuten an den Streckenrand. Ein Engländer, ähnlich
geschafft, gesellte sich zu mir. Mit ihm machte ich mich auf den weiteren Weg
hinab nach La Fouly bei km 110. Dort angekommen, beschloss ich, entgegen
ursprünglicher Planungen etwas zu schlafen. Auch meine Schultern brauchten
etwas Ruhe, die Muskulatur war vom Rucksack tragen völlig verspannt. Ich setzte
mich also an einen Biertisch und legte für den Kopf auf den Tisch und schloss
die Augen. Nach 20 Minuten fühlte ich mich wesentlich besser und machte mich
nach eine kleinen Imbiss auf den Weg nach Champex.
Teils in leichtem Trab, teils aufgrund des Gerölls im Schritttempo ging es zunächst über einen längeren Zeitraum bergab. Dann endlich, nach ca. 8 km kurz hinter Praz de Fort begann der Anstieg nach Champex. Dieser war schwieriger als ich dachte. Auf dem Papier sah das aus wie ein kleiner Hügel, aber Champex wollte und wollte nicht näher kommen. Nach einer guten Stunde Anstieg durch den Wald, hatte ich es endlich erreicht. Hier war richtig Partystimung mit Musik zum Einlauf. Im Zelt gab es auch einen abgetrennten Bereich für Begleiter. Wie schon in Fouly wunderte ich mich über die vielen Frauen, die sich hier um ihre bekloppten Männer kümmerten und sie verhätschelten. Hatten die kein Bett? Nach einem weiteren erfolglosen Versuch, die Zusammensetzung der Nudeln zu erfahren, beschloss ich, auch hier nochmal die Methode des 20 Minutenschlafes zu erproben. Dieses Mal wählte ich eine der Matrazen. Decke über den Kopf, Augen zu. Nach 20 Minuten weckte mich meine innere Uhr zum Aufbruch. Viele Läufer schienen sich hier auf eine längere Pause einzustellen. Klar, wenn die Verwandschaft da ist. Aber ich wollte nicht länger bleiben. Ich dachte mir, besser wird es nicht und die Muskeln werden eh nur hart vom rum liegen.
Also nahm ich den langen Abstieg nach Martigny in Angriff.
Ein Teilstück, dass ich im Nachhinein als mit das schlimmste einschätze. Zum
einen, weil aufgrund der geänderten Streckenführung nun mein mitgeführtes
Profil und meine Zeitabellen nicht mehr stimmten und ich nicht mehr wusste was
auf mich zu kam, zum anderen, weil dieser Abstieg einfach nicht enden wollte.
Am Anfang noch gemütlich auf breitem Forstweg, ging es bald auf schmalen Trails
hinab…und hinab…und hinab. Ich dachte irgendwann, wir müssten doch auf Seehöhe
angekommen sein. Schliesslich, nach einer halben Ewigkeit, kamen wir in ein Dörfchen,
dass wahrscheinlich jeder, so wie ich, für Martigny hielt. Und demnach den
Anstieg auf der anderen Seite für den nächsten grossen Berg. Weit gefehlt. Nach
ein paar hundert Höhenmeter und ein paar km quer ging es auf einmal wieder
steil bergab, noch weiter nach unten, bis wir dann endlich in Martigny waren.
Die Sonne war inzwischen aufgegangen der Himmel war strahlend blau und man
konnte schon ahnen: Das wird noch mächtig heiss heute.
In Martigny beim ca. km 135 machte ich einen grossen Denkfehler. Ich wusste, wir müssen von Martigny nach oben nach Trient, ca. 400 hm, und dann weitere 6-700 hm auf den Catogne. Nun sah ich vom Verpflegungspunkt aus einige Häuschen im Berg liegen und bildete mir ein, das müsse doch Trient sein.
In Martigny beim ca. km 135 machte ich einen grossen Denkfehler. Ich wusste, wir müssen von Martigny nach oben nach Trient, ca. 400 hm, und dann weitere 6-700 hm auf den Catogne. Nun sah ich vom Verpflegungspunkt aus einige Häuschen im Berg liegen und bildete mir ein, das müsse doch Trient sein.
Ich weiss, Eric, Laktat macht blöd. Wir stiegen also von
Martigny durch das imaginäre Trient und von dort immer weiter steil bergauf.
Ein klein bißchen wunderte ich mich, dass in Trient keine Verpflegung war,
schob das aber einfach auf die Streckenverschiebung. Ich stieg also den Berg
langsam hinauf, bis ich oben, nach etwa 90 Minuten, an einem Restaurant ankam.
Von dort ging es nur noch bergab. Auf einmal war ich völlig aufgeregt. War es
das schon? Hhm? Trient war ich, Gipfel war ich, jetzt bergab, dann muss das da
unten Vallorcine sein und bald bin ich im Ziel. Dachte ich, rannte wie ein
Irrer den Berg hinunter und landete in – Trient. Im Verpflegungszelt war meine
Verwirrung dann komplett. Ich glaubte zunächst an etwas wie eine
Doppelverpflegung. Aber andererseits war morgens ja keine in Trient. Hatten wir
die übersehen? Ich klagte einem Kontrollposten mein Leid. Ich sei schon mal
hier gewesen und müsste jetzt nur noch nach Chamonix. Die waren wirklich sehr
nett und haben nicht den Arzt gerufen, sondern mir gesagt, ich solle weiterlaufen.
Also rannte ich in Richtung Vallorcine, dachte natürlich nicht, dass da noch
irgendein steiler Berg kommen könne und sprintete in den Wald hinein. Bis mich
nach etwa 150 hm die Realität einholte. Ich fragte noch ein paar Mitläufer,
dann wurde mir das ganze Ausmass meiner geistigen Verwirrung klar. Was 35
Stunden ohne Schlaf doch aus einem machen können. Also schaltete ich wieder 2
Gänge zurück und quälte mich den Catogne hoch. Es wurde immer heisser, doch aus
Faulheit holte ich nicht meine Kappe aus dem Rucksack. Ein Fehler, wie sich
später heraus stellte. Gegen Mittag kam ich endlich am Gipfel an. Jetzt kam
langsam auch die Euphorie wieder. „Nur“ noch runter und dann von Vallorcine
nach Chamonix. Doch auch dieser Abstieg dauerte lange und führte über weite Strecken
durch die pralle Sonne. Ach ja, ich hatte natürlich in Trient auch meine
Flaschen nicht aufgefüllt. Schliesslich war ich ja schon fast im Ziel.
In Vallorcine angekommen hatte ich noch gut 2 Stunden bis
zur 40 Stunden Marke und bildete mir ein, das locker schaffen zu können.
Allerdings war die Hitze im Tal wirklich drückend, so dass ich Angst vor einem
Kreislaufkollaps bekam auch wenn ich jetzt meine Kappe auf hatte. Auch war die
Strecke viel schwieriger, als ich dachte. Ich hatte mir eingebildet, wir würden
gemütlich am Fluss entlang nach Chamonix laufen. Doch da hatte ich mich
gewaltig geschnitten. Es ging ständig hoch und runter. Vor allem das Teilstück
zwischen Argentiere und Chamonix hatte es nochmal richtig in sich. Immer wieder
ging es steil und unwegsam nach oben. Man konnte im Tal schon lange Chamonix
sehen, aber es wollte einfach nicht runter gehen. Ich verabschiedete mich
schliesslich von jeglichem Zeitziel und wanderte nun grossteils nach Hause. Ganze
3 Stunden habe ich für diese 14 km gebraucht.
Knapp Nur die letzten 1.5 Kilometer waren auf einmal alle Kräfte
wieder da. Als ich nach Chamonix einbog, die ersten jubelnden Menschen sah,
lief ich wieder in lockerem Schritt, als wäre ich gerade los gelaufen. Der
Einlauf in Chamonix war wirklich unglaublich, schon am Centre Sportif stehen
die Menschen, die Massen wurden durch die Altstadt Richtung Ziel immer dichter
und lauter. Ich war inzwischen ganz allein für mich, so dass ich alles in Ruhe
geniessen konnte. Noch ein paar Kurven, aus dem Zielbereich hörte man schon
Vangelis dröhnen, da stand Antje strahlend auf der Strecke. Was habe ich mich
gefreut, sie zu sehen. Eine kräftige Umarmung, ein Kuss, dann sind wir zusammen
weiter bis ins Ziel gelaufen. Der mit Sicherheit schönste Zieleinlauf meines
Lebens. Nur der Marathon des Sables Zieleinlauf kann da annähernd mithalten.
Im Ziel musste ich mich erstmal hinsetzen und das ganze
fassen. Erstmal sacken lassen. All die ganze Arbeit der letzten Monate hatte
sich tatsächlich gelohnt. Der Körper, der Magen, die Muskulatur, sogar mein
Oberschenkel, alles hatte mit gespielt. Naja, der Kopf manchmal nicht. All das,
was ich mir über die letzten Wochen erträumt hatte war wahr geworden.
170 km, 9700 hm, 40:48 h. Wahnsinn.
Am Zielausgang schnappte bich mir die begehrte Weste, das
Ziel aller Träume. Zugegeben, nicht meine Farbe, aber egal.
Im Zielbereich trafen wir noch auf Sanne, Georg und Walter. Sanne
hatte auch mit unserem Fotoapperat ein paar wirklich schöne Fotos geschossen. Vielen Dank. Wir
verfolgten zusammen weiter die Zielankömmlinge und plauderten bei einem Bier
ein bisschen über die Ereignisse der vergangenen 2 Tage. Nach einer halben
Stunde verabschiedete ich mich zum Duschen ins Hotel. Eigentlich wollte ich
danach wieder zurück an die Strecke kommen um mit den anderen Abend zu
essen. Doch als ich in der Badewanne
lag, muss die Müdigkeit mich übermannt haben. Als Antje irgendwann ins Hotel
kam, war ich gerade wieder aufgewacht und das Wasser war schon recht kühl.
Wir haben dann leider niemanden mehr angetroffen und haben
zu zweit ein leckeres Käsefondue verdrückt bevor mir so langsam die Augen zu
fielen und wir zurück ins Hotel mussten.
Dort trafen auf so langsam Nachrichten von den anderen ein.
Leider hatten nicht alle so viel Glück wie ich. Andreas stieg bei km 21 aus,
Michael mit Rückenschmerzen in Les Chapieux, Benno hat es in Courmayeur
erwischt, Eric bei der Station im Wald vor Champex-Lac. Auch Hans-Peter Roden und Torsten Riemer, die ich
unten gar nicht getroffen hatte sind leider nicht angekommen. Besonders schlimm hatte es HaPe Gieraths
getroffen, er hat sich beim Abstieg auf Champex das Kreuzband angerissen. Gute
Besserung.
Aber zumindest Tom hat einen grandiosen Lauf mit 34:48 hingelegt. Ich hatte ihm prophezeit, er würde 5 Stunden schneller laufen als ich, nun waren es sogar deren 6. Auch Christoph aus Wien kam etwa 2 Stunden nach mir ins Ziel. Glückwunsch.
Aber zumindest Tom hat einen grandiosen Lauf mit 34:48 hingelegt. Ich hatte ihm prophezeit, er würde 5 Stunden schneller laufen als ich, nun waren es sogar deren 6. Auch Christoph aus Wien kam etwa 2 Stunden nach mir ins Ziel. Glückwunsch.
Ich wünsche Euch allen eine gute Regeneration und viel Glück
und Erfolg beim nächsten Lauf.
Wir werden uns mit Sicherheit bald wieder irgendwo über den Weg laufen.
Wir werden uns mit Sicherheit bald wieder irgendwo über den Weg laufen.
Wenn nicht sogar in Chamonix.
Denn da muss wirklich jeder irgendwann hin – vielleicht sogar zweimal.
Ein paar Eindrücke vom Lauf gibt es hier:
2 Kommentare:
Hallo Achim, total schöner, erlebnisreicher und beeindruckender Bericht mit Gäsenhautfeeling. Schöne Zeit und vielleicht bis nächstes Jahr in Chamonix.
LG Bettina & Armin aus Regensburg
Hallo Achim,
Gratulation zu dem Lauf. Der Bericht zeigt genau den Menschen den ich beim RBW-Lauf kurz begleiten durfte. Erhol Dich und wir sehen uns bei der TTdR.
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