Sonntag, 18. April 2010

MdS Nachlese Teil 2: Jawohl Herr KaLeu

Es ist Ostersonntag, 4. April 2010, 8:00 Ortszeit. In einer halben Stunde beginnt das Streckenbriefing zum 25. Marathon des Sables. Um 9:00 ist Start. Alle haben gefrühstückt und ihren Rucksack fertig gepackt. Die Berberzelte wurden bereits mit großem Jalla Jalla abgebaut. Auf einmal kann man an fast jedem ehemaligen Zeltplatz die gleiche Handlung beobachten. Die Bewohner eines jeden Zeltes stellen sich zum Gruppenfoto auf. Alle in sauberer Kleidung, gewaschen, frisch rasiert und guter Dinge. Auch unser Zelt 85 macht das obligatorische Foto.
Und urplötzlich werde ich an eine Szene aus meinem Lieblingsfilm ‚Das Boot (Langversion!)‘ erinnert. Vor dem Auslaufen des U96 schießt Leutnant Werner eifrig Fotos der auslaufenden Mannschaft und wird dabei vom Kapitänleutnant zurechtgewiesen. „Machen sie Fotos von einlaufenden Kameraden, nicht von auslaufenden.“ Leutnant Werner: „Warum?“ „Weil sie dann Werte haben.“ Das saß. Betroffenes Gesicht bei Leutnant Werner.

Wie sehr trifft das doch auf die Szenen an diesem Ostersonntagmorgen zu. Von den fröhlichen Menschen auf den Fotos weiß noch niemand richtig, was ihm bevorsteht. Auch die Wiederholungstäter wissen nicht, wie sie dieses Mal durchkommen werden. Keiner weiß, ob er 7 Tage später das Ziel erreicht, wie die Füße aussehen werden und welche anderen Blessuren und Wunden man haben wird. Nicht alle Zeltbesatzungen werden beim Foto in 7 Tagen noch vollständig sein und jeder weiß, dass es genau ihn erwischen kann.
Mir liegt es natürlich fern, das Auslaufen eines U-Bootes im 2ten Weltkrieg mit dem Start eines Marathons und das Schicksal einer U-Boot Besatzung mit dem von ein paar Läufern gleichsetzen zu wollen, aber der Ausspruch des Herrn KaLeu kam mir dennoch sofort in den Sinn.
Doch im Gegensatz zur Besatzung des U96 hatte Zelt 85 das Glück, nach 7 Tagen und 250 km ein vollständiges Foto mit der kompletten Zeltbesatzung machen zu können. Und wenn man die beiden Fotos betrachtet und daran denkt was in dieser einen Woche passiert ist kann man dem Herrn KaLeu nur zustimmen.

Freitag, 16. April 2010

MdS Nachlese Teil 1: Ausrüstung oder “Wichtig is auf’m Platz”

7 Monate hatte ich Zeit seit von dem Zeitpunkt der Anmeldung bis zum Abflug. Viel Zeit – zu viel Zeit – zum planen, recherchieren, wiegen, einkaufen, wiegen, Packliste schreiben, wiegen, Packliste revidieren, wiegen, einkaufen, Packliste revidieren …

Ich hatte mich von Anfang an auf 3 Packlisten festgelegt, die ich im Internet gefunden habe. Von dort aus habe ich meine eigene Liste entwickelt. Ein Excel-Sheet erstellt, Kalorien gezählt, Grammzahlen addiert.

Meinen ersten Großeinkauf bei Racelite in Garmisch hatte ich im Rahmen einer Dienstreise im November gemacht. Vorher hatte ich mir stundenlang Gedanken über die erforderliche Dicke des Schlafsackes gemacht und mich für den wärmeren entschieden, weil es in der Wüste ja Nachts so kalt sein soll. Rucksack sollte ein Raidlight sein, weil den ja alle haben. Allerdings ohne die Trinkflaschenhalter an den Tragriemen, weil ich der Meinung war, die würden mich nur nerven. Pflichtausrüstung war einfach zu besorgen, von allem was man braucht einfach das leichteste. Auch beim Esbitkocher sollte es der leichteste sein. Die Planung der Nahrung hat war da schon komplizierter.

Für das Abendessen bekommt man ja beim Lesen aller Berichte den Eindruck, ohne Travellunch geht gar nichts. Für’s Frühstück hatte ich mich letztendlich auf selbstgemischtes Müsli entschieden. Für unterwegs habe ich auf bewährtes gesetzt. Xenofit Riegel und Pulver, dazu 500 Gramm Peronin, unter anderem für die lange Etappe und um das Müsli anzumischen. 5 Päckchen Kartoffelsuppe und ein paar Cashewkerne und fertig war das 4.7 kg Paket.

Kleidung war auch noch so eine Sache. Insbesondere die Kleidung für die Nacht. Weil ich nicht wusste wie kalt kalt wirklich ist, hatte ich mich entschieden 2 Hosen mitzunehmen und in der ersten Nacht im Biwak zu testen. Bei den Socken hatte ich mich für InJinji Zehensocken entschieden, als Ersatz Wrightsocks. Kappe Jack Wolfskin Desert hat mit Sonnenschutz im Nacken. Als Oberteil hatte ich zuerst ein X-Bionic in der Auswahl, habe mich dann aber für ein Runnerspoint Shirt aus dem Material ColdBlack entschieden. Hierbei hatte ich bis zuletzt bedenken. Wie cold ist coldblack denn wirklich?

Und was ist dabei herausgekommen? Wie sich herausgestellt hat, kann man so lange planen und recherchieren wie man will aber es zählt die alte Fussballerweisheit: “Wichtig is auf’m Platz”. Soll in diesem Fall heissen, was zu Hause gut ist, ist in der Wüste noch lange nicht gut. Was anderen bekommt, muss mir noch lange nicht bekommen. Und was letztes Jahr gut war, muss dieses Jahr noch lange nicht gut sein. Nachfolgend eine kleine Aufzählung meiner Erkenntnisse:

1. Riegel in der Wüste: Geht gar nicht. Ich hatte 14 Xenofit Riegel dabei, welche ich zu Hause wirklich lecker finde. Ich habe 3 gegessen und die auch nur weil ich mich gezwungen habe

2. Gel Squeezy Cola: Dito

3. Jack Wolfskin Kappe: Ich hatte ja kurzfristig auf Turban umgestellt, was wirklich hervorragend war. Der Turban kühlt schön, vor allem wenn man ihn wässert. Als mir mein nasser Turban auf der 4ten Etappe aber mehrmals in den Dreck gefallen war, habe ich ihn weggeworfen und meine JW Kappe aufgesetzt. Sofort war mir entscheidend warmer unter der Kappe. Die große Enttäuschung dann, als ich mir Wasser über den Kopf geschüttet habe. Die Wüstenkappe war wasserabweisend :-(. Also Kappe ab und auf Buff umgestellt. Das ging besser

4. Socken: Injinji: Die Entdeckung des Laufes Nummer 1. Ich hatte keine einzige Blase und meine Mitläufer Heiko und Alex blieben mit diesen Socken auch so gut wie blasenfrei. Ich habe mich gar nicht getraut meine Ersatzsocken (Wrightsocks) anzuziehen , sondern dieses eine Paar den ganzen Lauf getragen. Ja, ich habe 2 mal gewaschen. Never change a winning team.

5. Peronin: Die Entdeckung des Laufes Nummer 2: Hervorragend verträglich auch bei Hitze und unter Belastung. Schmeckt auch wenn die Brühe 60° hat (lecker Kakao). Und vor allem absolut sättigend und Energie bringend. Ich bin die gesamte 82 km Etappe mit 2 Flaschen Peroningemisch durchgelaufen. Plus eine Flasche Xenofit Mineraldrink, eine paar Cashews und Wasser natürlich. War absolut ausreichend.

6. Esbit Kocher: Ich hatte den leichtesten genommen den es gab. Das war ein Fehler. Unter Laborbedingungen hatte er gut funktioniert, aber in der windigen Wüste war er absolut untauglich. Aber zum Glück haben wir ja gelernt wie man eine Feuerstelle baut und mit Holz und ein paar Esbitwürfeln ein Feuerchen macht.

7. Schlafsack: Ich hatte den YETI VIB 250. Absolut ausreichend. Der VIB 150 hätte es wohl auch getan. Aber dem Vernehmen nach war es auch dieses Jahr nachts warm wie noch nie. Insofern ist es schwer zu sagen, on der 150er auch bei der sonst ülichen Kälte ausreichend gewesen wäre. Die Schlafsackhülle mit den übrigen Klamotten vollgestopft ergibt übrigens ein prima Kopfkissen. Besser als die Schuhe jedenfalls.

8. 2XU Kompressionshose für nachts. Aaah, eine Wohltat. Und aufgrund der milden Temperaturen auf warm genug.

9. Stirnlampe: Ich hatte meine superhelle Myo XP nicht dabei. Eine gute Entscheidung. 120 Gramm gespart (inkl. Ersatzbatterien) und die kleine Petzl, die ich mir von Horst geliehen hatte war hell genug für abends und die paar Stunden im Dunkeln auf der langen Etappe.

10. Oberteil Runnerpoint Coldblack: Ja, war wirklich recht cold. Hat man gemerkt, wenn ich nach dem Lauf ein normales schwarzes Oberteil angezogen habe. Und auch sehr angenehm zu tragen.

11. Travellunch: Wie gesagt, man denkt ja, es geht nicht ohne. Die Travellunch, die ich dabei hatte waren auch ganz OK. Vor allem die Kartoffelsuppe für zwischendurch war gut. Einmal hatte ich sie auch zum Frühstück gegessen. Allerdings hat mein Zeltgenosse Christian gezeigt, dass es auch anders geht. Er hatte jede Menge Mie-Nudeln dabei und dazu Sossenpulver in verschiedenen Geschmacksrichtungen. Ich war jedesmal neidisch, wenn er die gemacht hat. Eine gute Mischung wäre hier sinnvoll gewesen.

12. Cashewkerne: Hätte ich mehr von mitnehmen sollen, gut für zwischendurch.

13. Raidlight Rucksack: Hat ja auch jeder, daher leicht zu verwechseln. Gut, dass man eine Startnummer hat. Am Flughafen praktisch, man läuft einfach hinten den roten Rucksäcken her. Schön leicht, aber mit einigen Schwächen. Da Gewicht geht auf die Qualität. Man braucht den nur schief anzuschauen, dann reißt er schon. Meiner war schon vom trainieren kaputt, Heiko’s ebenfalls und an der gleichen Stelle. Reißverschlüsse gehen schlecht. Am meisten hat mich die seitliche Flaschentasche gestört. Absolut an der falschen Stelle. Außerdem geht die Flasche schwer rein. Das gleiche gilt für die Flaschenhalter am Bauchteil. Auch die 1.5 l Flasche quer geht sehr schwer rein. Das nächste Mal würde ich wohl doch noch die Flaschenhalter an den Schulterriemen nehmen. Obwohl ich bei Kollegen gesehen habe, daß die zugehörigen Flaschen nicht dicht sind.

14. Isomatte: Schwieriges Thema. Ich hatte eine halbe Isomatte dabei. Mehr hätte ich vom Gewicht her wirklich nicht tragen wollen. Aber ich war doch öfters sehr gerädert und habe voller Neid auf die Thermarestmatten von Tilmann und Tom geschaut.

15. Gamaschen (Raidlight): Die genähten Klettbänder haben hervorragend gehalten aber die eigentlichen Gamaschen zerreißen am ersten Stein und müssen jeden Tag mit Tape geflickt werden.

16. Hirschtalgstift: Fand ich unpraktisch und hab ich nicht benutzt. Ich hatte mir zusätzlich Hirschtalg aus der Tube in ein kleines Döschen abgefüllt. Das war viel praktischer.

17. Wäscheleine wäre nicht unpraktisch gewesen.

18. Toilettenpapier usw.: Eine Rolle langt. Feuchtes Toilettenpapier darf man nicht vergessen. Auch diese kleine Handtücher die sich mit ein paar Tropfen Wasser entfalten waren nicht schlecht.

19. Sonnenbrille: Gletscherbrille Loubsol. Sehr gut, nichts zu bemängeln.

20. Sandalen: Der große Reinfall. Ich hatte mir diese Wüstensandalen auf der MdS Homepage bestellt. Gelinde gesagt eine Frechheit, diese zu verkaufen. Völlig untauglich für die steinigen Biwaks. Es war zum totlachen Leute mit diesen Latschen durchs Biwaks stolpern zu sehen. Ich habe jeden Tag die anderen Läufer um ihre FlipFlops beneidet.

21. Schuhe: Salomon XA pro: Mein Lieblingstrailschuh. Hat mich schon blasenfrei durch die Schweiz gebracht. Allerdings hätte ich ihn nicht eine Nummer grösser gebraucht. Mein Fuß ist nicht wie angekündigt angeschwollen, sondern sah immer gleich aus. Aber wer weiß das schon vorher.

22. Essen allgemein: Ich hatte 17500 Kalorien dabei. Ich denke ich habe nicht mehr als 16000 zu mir genommen. Mehr habe ich auch nicht gebraucht und hätte auch nicht mehr runter bekommen. Für während des Laufes würde ich noch mehr auf flüssige Nahrung wie Peronin und Mineralpulver setzen. Dazu mehr Nüsse. Ab und zu was herzhaftes für abends wäre nicht schlecht gewesen, z. B. Salami oder Parmesan. Nudeln siehe oben. Auch zum Frühstück.

So, das war es im groben. Aber wie gesagt, das gilt nur für mich, bei diesem Lauf und in diesem Jahr. Für alle anderen ist es blanke Theorie. Und da muss ich nochmal Adi Preißler zitieren: „Wichtig is …“

Dienstag, 13. April 2010

Wieder daheim

Seit etwa einem Tag bin ich wieder aus Marokko zurück. Nach einen tollen Empfang am Flughafen durch Antje, Hannah und die Bretzelwetzerdelegation, sowie der darauf folgenden kleinen Feier bei mir zu Hause habe ich heute erstmal ausgeschlafen, ausgepackt, gewaschen und geräumt. Dabei hatte ich auch schon mal ein bißchen Zeit über die letzten 10 Tage nachzudenken. Doch ich glaube es wird einige Tage oder Wochen dauern, das Erlebte und die Erfahrungen einordnen zu können. Aber auch jetzt schon melden sich die Erinnerungen im täglichen Leben. Zum Beispiel wenn ich mich auf einen Stuhl setze und daran denke wie sehr ich mich 7 Tage lang danach gesehnt habe. Oder wenn ich die Toilettenspülung betätige und weiß, daß man mit dieser Wassermenge täglich unter extremen Bedingungen sportliche Höchstleistungen vollbringen kann. Oder als ich meinen Löffel gespühlt habe und mich geärgert habe, dabei die gesamte Wasserration einer Teiletappe verschwendet zu haben. Schon am Flughafen habe ich mich gestern über die gestressten Leute in der Zollschlange gewundert. Wer mal beim MdS nach Wasser angestanden hat, den bringt so etwas nicht mehr wirklich aus der Fassung. Aber hierzu werde ich in späteren Berichten mehr erzählen.
Heute möchte ich mich erstmal bei allen bedanken, die mich bei diesem Vorhaben unterstützt haben, allen voran meine liebe Familie, die meinen wochenlangen Pack- und Wiegewahn hat ertragen müssen. Danke auch an alle, die an mich gedacht haben, die Daumen gedrückt und mir Unterstützungsmails ins Zelt geschickt haben. Die abendlichen emails waren ein Höhepunkt des Tagesablaufes. Zu wissen, daß so viele Freunde zu Hause an den Geschehnissen so fernab von daheim teilhaben, war eine grosse Motivation für alle Teilnehmer.
Ich möchte mich an dieser Stelle auch nochmal bei meinen Mitbewohnern aus Zelt 85, Christian, Heiko, Tilmann und Tom bedanken. Ihr wart ein tolles Team und es hat mir mit Euch sehr viel Spass gemacht.

Ein kurzes sportliches Fazit will ich auch schon mal ziehen. Ich bin mit meinem Abschneiden mehr als zufrieden. Mit Gesamtposition 201 hätte ich vorher nicht gerechnet. Daß ich im nachhinein natürlich noch gerne den ein oder anderen Platz weiter vorne gelandet wäre liegt wohl in der Natur der Sache. Bei einem Wettkampf sucht man immer, wo und wo man hätte schneller seien können. Und man findet auch schnell viele Gründe. Hier eine Pause zu lang, dort ein Foto zu viel, da eine überflüssige Gehpause. Aber ich denke, das ist müßig und auch nicht angemessen. Wenn ich richtig gezählt habe, bin ich übrigens fünft bester Deutscher. Das hört sich doch gut an, oder?
Gelernt habe ich auch viel.
Ich kann eine Feuerstelle bauen und aus einer Wasserflasche ein Frühstücksservice basteln. Oder ich kann 14 Stunden mit nichts tun verbringen, ohne vor Langeweile zu sterben. Und ich weiß, wie man mit sich mit einem Kompass orientiert, was ich allerdings nie gebraucht habe.
Was ich nicht ganz nachvollziehen kann, sind die Aussagen früherer Teilnehmer über die sportlichen Anforderungen dieses Laufes im Vergleich zu anderen Läufen. Vielleicht liegt es daran, daß dieser MdS 20-30 km länger war als vorherige und daran daß die Luftfeuchtigkeit ungewöhnlich hoch war. Vielleicht kommt es auch darauf an, wie man an den Lauf heran geht und ob man sportlich an seine Grenze geht oder gehen will. Mit meinen Zeltgenossen war ich mir jedenfalls einig, dass dies der schwierigste Lauf war, den wir bisher gemacht haben. Bisher!!! :-)

Soviel erstmal für's erste. Später mehr.

Donnerstag, 1. April 2010