Montag, 5. Oktober 2009

Ein halber und ein ganzer

Da ich schon so viel über die unvergleichliche Stimmung gehört hatte, wollte ich es mal selbst ausprobieren und den Köln Marathon laufen. Als ich mich angemeldet habe, war ich schon recht spät dran und die Meldegebühr demnach sehr hoch. Da habe ich gesehen, dass man in der Ultra-Wertung den Halbmarathon für nur €25 mehr dazu bekommt. Was für ein Schnäppchen. Und da Marlies, Jutta und Astrid sowieso den Halben laufen wollten und ich daher sehr früh anreisen würde, habe ich gleich mal zugeschlagen.
Gestern war es soweit.
Erstes Fazit: Chaotische Organisation (jedenfalls für die Ultras), ein langer Tag und sportlich ein gutes Ergebnis.
Der Reihe nach:
Wir haben uns entschieden, nicht zu übernachten und reisen morgens an. Abfahrt 5:15 Uhr. Um 6:40 sind wir in Köln auf den Park&Ride Parkplatz, wo schon eine grosse Menge Läufer wartet. Von Shuttle-Bus allerdings keine Spur, also entscheiden wir uns zur Messehalle zu laufen.
Dort angekommen gehe ich zur Startnummernausgabe für die Ultras und das Elend nimmt seinen Lauf. Der junge Mann gibt mir freundlich meinen Beutel, doch schon die Nachfrage nach dem Wechselbeutel überfordert ihn völlig. Erstmal Kollegin fragen. Er gibt mir schließlich noch einen Beutel und ich frage nach einem Startnummernaufkleber für diesen. "???". OK, lass mal, ich komm schon zurecht, denke ich mir. Auf dem Weg zur Toilette treffe ich einen weiteren Ultra-Läufer, schon deutlich genervter als ich. Er sucht verzweifelt einen Stand, wo er seine Zielkleidung abgeben kann. Gibt es nicht, weiß auch keiner. Ich gehe erstmal aufs Klo. Zurück am Helpdesk sind wir inzwischen zu siebt. Verzweifelte "Helper". 3 Handys werden gezückt, Nummern wild getippt. "Ihr müsst alles mit zum Wechselzelt nehmen". Der Genervte wird immer genervter: "Nein, so steht dass nicht auf dem Infozettel". Die Helperin:"Doch, das wurde mir so gesagt". Wir weigern uns, sie telefoniert wieder. Grosse Neuigkeit: "Der Stand ist direkt die Treppe runter rechts". Ach? Sie geleitet uns runter. Rechts steht eine Reihe Tische als Absperrung zum nicht benutzten Messebereich. Darauf sitzen ein paar Ordner rum und schauen uns fragend an. Die Tische werden zur Seite gerückt und wir gehen etwa 50 m die Halle runter. Und wie aus dem Nichts taucht der Ultra-Abgabestand auf. Hätten wir aber auch selbst finden können.
Also zurück zu unserem Treffpunkt. Da Astrid sich inzwischen leider aufgrund ihrer Migräne entschieden hat, nicht zu starten, machen Jutta, Marlies und ich uns auf dem Weg zum Start.
Vorher frage ich noch, wo das Zelt für die Ultras ist und man erklärt es mir bereitwillig. Und ich bin mir auch sicher, dass sie Zelt gesagt hat. Am Start glaube ich das Zelt entdeckt zu haben, komme aber nicht hin. Überall Absperrungswände. Ich irre hoch und runter, nirgendwo kommt man rein. Ich frage einen Securitymann, der einen Spalt zwischen 2 Absperrungswänden bewacht. Er tritt zur Seite und hinter ihm tauchen 3 Pavillons auf, unter denen man seine Sachen deponieren kann. Nein, auch hier hätte man kein Schild gebraucht. Ich hab's ja irgendwann auch so gefunden. Zurück zum Start, ein paar kölsche Lieder hören, bei denen ich mangels kölscher Karnevalserfahrung als einziger nicht mitsingen kann und los. Wir starten relativ weit vorne und man kann sehr gut sein Tempo laufen. Das Wetter ist top zum Laufen, zum Zuschauen weniger. Trotzdem stehen erstaunlich viele Leute an der Strecke, auch schon um 9:00. Wir laufen in sehr angenehmem Tempo, so um die 5:20. Nach der Hälfte werden wir etwas langsamer und ich dadurch ein bißchen unruhig. Bei km 13 verabschiede ich mich daher von den Mädels und laufe wieder etwas schneller. Es läuft sehr gut und ich muss mich schwer beherrschen. Ich komme mit knapp unter 1:49 ins Ziel und warte dort auf Marlies und Jutta. Ich muss nicht lange warten. Sie kommen mit 1:52:46 ins Ziel, für Marlies' Comeback nach langer Wettkampfpause sensationell gut!!!
Ich gehe in den Wechselbereich und suche das "grosse Zelt", welches laut Ausschreibung im Zielbereich bereit steht. Mit Erschrecken stelle ich fest, dass die 3 seitlich offenen Pavillons das "Zelt" darstellen. Der nette junge Mann bietet mir statt Zelt eine zweite Wärmefolie an. Naja, er kann ja auch nichts dafür. Ich frage ihn stattdessen, wo unsere Toilette ist. Es gibt keine!!! Aber draussen wären welche. "Ach , sie meinen da, wo gerade die anderen 20.000 Läufer anstehen? Er schaut bedröppelt. Ich möchte ja ungern Filmzitate überstrapazieren, aber spätestens hier muss ich es tun: "Bekackte Amateure!". So! Also, eine Stunde vor sich hinfrieren, Bedürfnisse unterdrücken und auf den Start warten. Leider wird der kurzfristig um 10 Minuten verschoben. Der junge Mann sagt, vielleicht wegen des Regens. Auch witzig. Ich treffe noch Swiss-Jura -Läufer Stefan Petermann aus der Schweiz. Er erkennt mich am Shirt. Komischerweise erkenne auch ich ihn überhaupt nicht, obwohl wir mehrere Tage in der gleichen Halle geschlafen und gegessen haben. Er erzählt mir, dass er leider nach 4 Tagen verletzungsbedingt ausgeschieden ist. Wahrscheinlich deshalb. Wir verquatschen uns ein wenig und kommen erst zum Start, als die schnelle Gruppe schon Weg ist. Ich mache kurzerhand von unserem Privileg Gebrauch, uns ganz vorne einzuordnen. Schon fällt der Startschuss und ich laufe ganz bequem los. Auch dies ist eine sehr merkwürdige Einrichtung. Mein Block beinhaltet Kinderstaffeln, Ultraläufer und irgendwelche Firmen-und Familienstaffeln, meist kostümiert. Der Block, der hinter uns gestartet wird, besteht noch durchaus aus schnellen Läufer, vom Überholtempo her schätze ich mal locker 3:15 Kanditaten. Und die müssen sich jetzt erstmal durch die unorthodox laufenden Kinderstaffeln und die Karnevalisten durchtanken. Stelle ich mir sehr nervig vor und freue mich, dass ich so entspannt bin und keine schnelle Zeit laufen möchte. Ich lasse mich ein bißchen von den mich überholenden Läufern verleiten und pendele mich so bei einem 5er Schnitt ein. Ich überlege, wie lange ich den wohl halten kann und beschliesse, das mal auszuprobieren. Klappt ganz gut. Bis km 30 laufe ich fast konstante 5er km. Danach wird es langsam zäh. Die Trinkpausen dauern länger, da ich kurz stehen bleibe, um ordentlich zu trinken und die Beine werden auch immer schwerer. Dazu kommt noch ein unangenehmer Gegenwind. Die Stimmung ist ab und zu richtig gut, so bei km 38 richtig "Alpe d'huez artig". Das war schon recht schön, aber ich hatte mir noch etwas mehr vorgestellt. Aber wie gesagt, Wetter war auch nicht so toll zum Zuschauen. Die letzten 3 km, Kopfsteinpflaster tut jetzt richtig weh und die Rheinbrücke hat gefühlte 25% Steigung. Dann endlich das Ziel.
Endzeit 3:34, Gesamtzeit 5:23. Platz 10 bei den Ultras.
Im Ziel bin ich doch sehr kaputt. Mir ist saukalt und ich hab leider gar keine richtige Lust auf das Buffet. Und das hält nun wirklich was es verspricht. Eine unglaubliche Auswahl an Getränken und Essen und nicht nur ein Getränk gegen einen Bon, sondern von allem so viel man möchte.
Zurück zur Messehalle, dort treffe ich Marlies, Jutta und Astrid, die sagen, sie würden nicht mehr mit mir reden. OK, das nächste Mal laufe ich wieder langsamer. Vielleicht. In der Halle erlebe ich eine Überraschung, tatsächlich sind meine beiden Beutel da. Der Mann schaut mich zwar gross an, als ich nach einem zweiten Beutel frage, aber er sucht dann bereitwillig und findet ihn auch. Komisch, fragen die anderen Ultras nicht nach ihrem zweiten Beutel? Haben sie die Hoffnung schon aufgegeben?
Die Dusche ist ein Traum. Viel Wasser und viel heiß. Aaaaaah.
Danach noch schnell ein Kölsch und ab zum Parkplatz. Auf den Shuttle verlassen wir uns schon lange nicht mehr, daher laufen wir wieder zurück. Aua, tut weh.
Leider haben wir auf der A3 noch einen Megastau, so dass wir erst um 20:00 wieder in Mainz sind. Immerhin pünktlich zum Tatort.
Zusammenfassend: Sportlich sicherlich ein Erfolg mit Marlies' Comeback und meinem 10. Platz. Und wir hatten auch eine Menge Spass und einen schönen Tag. Aber beim Köln-Marathon habe ich dass Gefühl, dass man sich hier ein bißchen verzettelt mit den vielen Wettkämpfen. Wie sagt man doch so schön, vielleicht sollte man sich wieder aufs Kerngeschäft konzentrieren. Den Ultra würde ich glaub ich nicht unbedingt nochmal laufen, da dieser Wettkampf nur ein Abfallprodukt ist und daher eher stiefmütterlich behandelt wird. Noch ein kleines Beispiel: Die Ultraläufer hatten die gleiche Startnummernfarbe wie die Karnevalistenstaffeln. Ich bin ja eigentlich nicht so eitel, was das angeht, aber ein bißchen mehr Würdigung, und sei es durch einen eigenen Farbcode hätte schon gut getan.
Aber ansonsten, wie gesagt, trotzdem ein schöner, langer Tag.

1 Kommentar:

Stefan Petermann hat gesagt…

Hi Achim,

Danke für die namentliche Erwähnung :-)
Über die Organisation sind wir ja ähnlicher Meinung. Aber selbst bei der Stimmung an der Strecke hätte ich mir im Zentrum des rheinischen Frohsinns mehr vorgestellt.
Ich werde häufiger mal das SJM-Shirt beim Ultra tragen und mal sehen, wo der nächste Mitstreiter auftaucht.

Sportliche Grüße aus der Schweiz,
Stefan.